Big-Band der Elisabeth-Selbert-Gesamtschule

Martins Züge 2018

Seit es dieses Schulorchester gibt, wird um St. Martin bläserisch durch die Stadt und die Region gezogen und weil wir seit etlichen Jahren unserer Noten der Allgemeinheit zur Verfügung stellen, ist die Gesamtschule längst Marktführer in Sachen Sankt Martin und unsere Sätze werden nicht nur in Bonn gespielt sondern zwischen Leipzig (Thomaskirche) und Rostock (einzige katholische Kirche dort)und zwischen Hamburg und Ulm. Logischerweise haben wir jedes Jahr eine generalstabsmäßige Planung, die mindestens ein Jahr vorher beginnt und die ersten Buchungen für 2021 stehen schon.

Montag, 5.11.
Gebucht haben drei Kindergärten: Das „Spatzennest“, die Christuskirche und der studentische Kindergarten in der Rheinaue. Üblicherweise lassen Kindergärten die Kleinen einmal um den Block laufen und weil die Pänz kurze Beine haben, setzt man die logischerweise nach vorne und lässt sie das Tempo bestimmen. Etwa fünfzig Kinder mit Geschwistern und Eltern ergeben einen Zug von ca. 200 m Länge und da reichen vier Bläser mit kleiner großer Trommel (Bumm, bumm, bummbummbumm…), also eine „halbe Kapelle“ und der Käse ist gegessen. Immer öfter wollen Mama und Papa aber bei den lieben Kindern sein und da wird mit dem Kinderwagen durch die Kapelle gefahren, andere Kinder werden versehentlich umgemäht und natürlich singt hier keine Sau mit, weil die Eltern ja mit den anderen Eltern kommunizieren müssen und die Kinder ganz verschreckt sind. Der studentische Kindergarten ist gut zu Fuß, jagt eine Stunde lang bergauf und bergab und nicht nur die Kapelle ist danach rechtschaffen müde, sondern die Kleinen erst recht. Weil heute die ersten Kapellen starten, sind natürlich viel zu viele Bläser da und da eine halbe Kapelle man gerade einen Hunni bringt, sinken die Anteile für jeden drastisch, wenn auf einmal ein Dutzend Bläser Lärm macht. Auch die dreißig Kinder (der Christuskirche) machen ob dieses Lärms besser den Mund zu. Da muss an der Besetzung in den nächsten zwei Wochen noch justiert werden.

Dienstag, 6.11.
Der städtische Kindergarten „Junge Wilde“ liegt in der Nähe des Hofgartens und trabt normalereeise zum Alten Zoll, wo stimmungsvoll das Martinsfeuer brennt und weil dieser Kiga sich immer mit anderen Kindergärten zusammentut, ist die Lennéstraße bei Aufstellung normalerweise recht voll. Blöderweise ist der abendliche Stau diesmal erheblich schlimmer als sonst (es hat einen Unfall gegeben, so daß die B9 ab Godesberg dicht war) und weil ich im Auto sieben Instrumente und die Trommel habe, sehe ich schon vor mir, wie ein einzelner alleine spielt (was wir ein paar Tage später wirklich hatten). Kurz vor sechs bin ich schon mal in der gesperrten Straße (es soll um sechs losgehen), beschwatze einen Polizisten, der mich dann wirklich noch durchlässt und schon kommen die andere Musiker hergerannt, machen das Auto leer und eine Minute nach sechs ist das Auto geparkt und die Kapelle spielbereit. Einen Sankt Martin gibt es auch: man hat einem Kindergartenkind einen roten Mantel verpasst und auf ein klitzekleines Pony gesetzt, damit die Größenverhältnisse stimmen und hier sind die Eltern besser erzogen und laufen nur ein paarmal durch unsere Kapelle. Die Kinder singen lautstark – zumindest „Laterne, Laterne“ könne auch die Dreijährigen krähen.
Einen neuen Bläser haben wir auch dabei – er bemüht sich, im Dunkeln nicht zu stolpern, hält die Trompete fest und pupst ab und zu auch einmal rein. Es ist beim ersten Mal immer schwierig… Auf dem Rückweg verliert Aditi ihre Marschgabel mit Noten. Nina kehrt um und schafft es, im Dunkeln auf der Hofgartenwiese mit ihrer Handylampe alles wiederzufinden. Ich bin tief beeindruckt.

Mittwoch, 7.11.
Heute müssen wir wieder drei Kapellen stellen: in Kessenich werden zwei halbe Kapellen für die Till-Eulenspiegel-Schule benötigt und die Bonn International School bucht immer eine Kapelle als Verstärkung für ihre Truppe. In Kessenich ist der Zug so lang, daß ich in der hinteren Kapelle die vordere nicht mehr höre, aber die Kinder singen laut und richtig mit – meistens jedenfalls. Ich hab nicht geglaubt, dass eine halbe Kapelle nicht laut genug sein kann, sagt der Schulleiter zu mir, nächstens Jahr nehmen wir zwei ganze Kapellen. Vier Leute mehr machen wirklich was aus.
Von der BIS bekomme ich am nächsten Tag einen netten Brief. Man war sehr zufrieden und bucht für 2019 und 2020 gleich den Termin. Was man hat, das hat man.

Donnerstag, 8.11.
Heute müssen wir eigentlich vier Kapellen stellen: in Friesdorf ist der Stadtteilzug, in Beuel der Innenstadtzug, bei dem wir normalerweise zwei Kapellen stellen und in Plittersdorf geht die Paul-Klee-Schule.  Weil wir aber nicht genug Posaunen haben, können wir auch nicht teilen und so gibt es in Beuel eine Kapelle mit neun Leuten, in Friesdorf eine Kapellen mit neun Leuten und in Plittersdorf eine dritte Kapelle mit sieben Musikern.

In Beuel kommen wir verspätet weg, weil das Pferd im Stau steckte, doch diesmal muß der Sankt Martin nicht die ganze Strecke alleine laufen, wie es Jürgen Nimptsch vor Jahren passiert ist, als der Pferdehänger verunglückte und der Gaul notgeschlachtet werden mußte. Die Kollegen vom Kardinal-Frings-Gymnasium stellen dann eine dritte Kapelle (unter sechzig Mann laufen die erst gar nicht auf) und so paßt es auch in Beuel. Als erste Kapelle müssen wir zwar noch ins Stadion mit rein, doch Andreas Berger übernimmt nach einer Viertelstunde mit seinem Bläserheer und wir sind fertig.

In Friesdorf weiß die Kapelle nicht so richtig, wohin sie soll und es blickt auch keiner durch. Max ergreift die Initiative, postiert die Truppe irgendwo weit genug von den anderen Kapellen und läßt einfach spielen. Recht schnell sortiert sich der Zug und irgendwie geht es los.

Eine dritte Gruppe ist in der Paul-Klee-Schule in Plittersdorf und stellt dort die Kapelle. Beuel und Friesdorf buchen direkt schon fürs nächste Jahr – dort hat es also funktionert. Die Plittersdorfer buchen, wenn sie ihren Termin wissen.

Übrigens können die Kinder der katholischen Schulen hervorragend die Martinslieder singen, notfalls auch mit fünf Strophen und sie sagen uns sofort Bescheid, wenn wir eine Strophe vergessen haben, denn irgendwann weiß man nicht mehr, wie viele man schon getrötet hat.

Freitag, 9.11. Heute sind wieder vier Kapellen zu stemmen: Kessenich will eine normale und eine kleine Kapelle, der Kindergarten der Telekom braucht eine halbe Kapelle und außerdem sind wir in der „Alten Eiche“ in Meckenheim. Alles mit insgesamt 22 Musikern, also in dünner Besetzung.

In Kessenich erklärt sich Josef bereit, alleine zu spielen. Er läuft mit der Posaune solo zwischen Polizeiwagen und dem Pferd, spielt wie ein Weltmeister und dreihundert Meter hinter ihm spielt der Rest. Es muß sehr beeindruckend gewesen sein, wie mir später mehrere Bekannte unabhängig voneinander erzählen. In Ramersdorf sollte es eigentlich um halb sechs losgehen, aber als unsere Musiker dort ankommen, trudeln die ersten gerade am Feuer im Kiga ein, denn sie sind schon um fünf losgegangen. Also wird noch eine Stunde am Feuer gespielt, dort gibt es immer lecker Essen und es ist ganz entspannt.

Die  „Alte Eiche“ in Meckenheim ist ein Sonderfall. Dort wohnen schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche, die niemals auf einen normalen Martinszug gehen können und deswegen kommen wir immer zu ihnen. Dieses Jahr haben wir keine Zeit gehabt mit den „neuen“ Bläsern eine Runde auf dem Sportplatz zu drehen und das rächt sich jetzt, weil der Weg durch den Wald führt: Vier Neue stolpern den dunklen Weg entlang, halten tapfer ihre Instrumente fest und pupsen ab und zu ziemlich falsch in ihr Instrument herein. Laura und ich spielen zweistimmig und ich bekomme eine dicke Portion Fremdschämen ab. Als wir am Feuer stehen, müssen sich die Kinder nicht mehr gleichzeitig auf den Weg, die Dunkelheit und die Musik konzentrieren und da klingt es auch wieder schön. Schwamm drüber – nächstes Jahr jage ich die Kinder wieder über den Sportplatz und durch die Stuhlreihen der Aula.

Samstag, 10.11.
Heute sind nur zwei Züge zu spielen: Rheinbach-Ramershoven und Wachtberg-Gimmersdorf. Beide Kapellen haben um die neun Leute und sind dabei stabil. In Ramershoven fährt uns die Feuerwehr im roten LKW zum Nachbarort und von dort geht der Zug wieder zurück. Man fängt in Peppenhoven mit zehn Kindern an und alle paar hundert Meter kommen neue Gruppen dazu und wenn alle Straßen abgeklappert sind, sind es etwa vierhundert Kinder. Schön ist, daß es zwischendurch immer etwas zu trinken gibt und als unterwegs ein Mädchen Durst hat, rennt eine Dorfbewohnerin ins Haus und kommt mit einer Flasche Mineralwasser zurück. Das ist woanders undenkbar. In Gimmersdorf leitet Josef eine Truppe mit vielen Flöten, und auch hier gibt es positive Rückmeldungen. Am Abend freuen wir uns alle auf den Sonntag – da ist jedes Jahr spielfrei.

Montag, 12.11.
Heute ist Streßtag – normalerweise ist am 12. immer der große Dottendorfer Zug, bei dem wir zwei große Kapellen zu stellen haben, aber da war im Vorfeld schon klar, daß dies dieses Jahr nicht geht, weil der Hofgarten-Zug des Bonner Münsters am gleichen Tag liegt. Da müssen wir immer zwei Kapellen stellen und hinterher ist es mein Job, vor dem Bonner Rathaus alle Musiker zusammenzuhalten.

Es fängt schon chaotisch an: Die B9 ist wieder dicht, ich fahre Schleichwege und so sind wir zwar um halb fünf am Albertinum, wo wir parken können (der Regina-Pacis-Weg ist gesperrt, weil die Unifassade gerade renoviert wird), doch die anderen sind nicht da. Theresa wohnt bei der Schule und ihre Freundin Aditi ist bei ihr. Um hab fünf sind sie noch in der Bahn und um viertel vor fünf auch. Weil wir wirklich losmüssen, kriegt eine Mutter meinen Autoschlüssel und klare Anweisungen zur Instrumentenausgabe der Mädchen und wir tigern zum Münsterplatz. Kurz nach fünf tauchen dort die beiden Mädchen auf – ohne Instrument (Herr Schlu, wir haben das Auto nicht gefunden). Sie kriegen zwar die Anweisung ihre Saxe zu holen und zum Rathaus zu kommen, aber ich habe sie erst am nächsten Tag wiedergesehen und so fehlt uns eine wichtige erste und eine dritte Stimme.

Dafür wird es auf dem Rathausplatz ziemlich toll. Die Bläser der „Fünften“ (Gesamtschule) stehen schon auf der Treppe als wir kommen, unsere Bläser stellen sich dazu und ich klettere auf das Podium und dirigiere. Nach und nach kommen Kinder und weitere Kapellen dazu und als der stv. Stadtdechant und der Sankt Martin oben sind, spielen etwa 130 Musiker zusammen und auf dem Marktplatz sind etwa 3.000 Kinder. Weil es dunkel ist, dirigiere ich mit Taschenlampen – die sieht man immer. Später sagen mir Eltern, der WDR hätte ein bißchen davon gezeigt und der Ton ist auch besser als letztes Jahr.

Mittwoch, 14.11.
Heute ist ebenfalls nur ein Zug in Poppelsdorf. Wir haben mittags schon alles in mein Auto geladen, ich habe endlich mal einen freien Nachmittag (ohne Konferenzen, Vertretungsstunden oder was es sonst gibt) und warte ganz entspannt um hab sechs an der Grundschule. Pascal kommt gleichzeitig mit mir an und kurz vor sechs sind fast alle da. Als der Zug losgeht, ist Nina noch nicht da, doch wir legen ihr Horn hinter mein Auto und hoffen, daß sie intelligent ist. Sie und zwei andere stecken nämlich noch im Bus fest, weil die B9 und die Reuterstaße wieder dicht sind. Ein paar Minuten später taucht sie mit den anderen auf, atemlos, weil sie gerannt ist und  da sind wir alle komplett. Der Poppelsdorfer Zug geht keine fünfhundert Meter, da ist schon Schluß. Man kann hören, dass die Rektorin etwas sagt, aber wir wissen nicht was. Als ich bei ihr bin sagt sie gerade… „singen wir nun Sankt Martin“. Ich beginne auf der Posaune mit der Melodie und weil die anderen es hören, steigen sie ein. Danach ist Schluß, wir schnacken noch mit den anderen Bläsern der Lutherkirche und daß das Tambourkorps seit Zugbeginn pausenlos Detlev Jöckers und Rolf Zuckowskis Lieder gespielt haben, stört uns auch nicht. Fazit: halbe Stunde gespielt, halbe Stunde geschnackt.

Freitag, 16.11.
Kein Zug, nirgends. Wir hätten gespielt, sind aber alle froh, mal wieder eine Abend zuhause zu sein. Es gibt auch ein Leben außerhalb Sankt Martin.

Samstag, 17.11.
Letzte Zug in Schweinheim (wutz, wutz) – alle gehen auf dem Zahnfleisch, denn es war vormittags in der Schule noch Tag der offenen Tür und ich bin Arnulf dankbar, daß er die Baßstimme übernimmt und ich frei habe. Am Montag gehen wir alle essen und hauen einen Teil der Gagen auf den Kopf.

Links:
Liederverzeichnisaktuelle PlanungEngagementvertrag –  Noten
Andere Lieder auf Anfrage

Fotos: Arnulf Marquardt-Kuron, Text: Martin Schlu

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